Imam ʿAli (a.)

ʿAlī b. Abī Ṭālib bekannt unter der Bezeichnung Imam ʿAlī (a.), Amīr al-Mu᾽minīn (geb. 23 Jahre vor der Ḥiğra, am 13. Raǧab), war der erste Imam aller schiitischen Konfessionen, der Gefährte des Propheten (s.), Überlieferer, Schreiber der Offenbarungen und der vierte Kalif der ersten vier bei den Sunniten als rechtmäßig geltenden Kalifen. Er war der Cousin und der Schwiegersohn des Propheten (s.), der Ehemann von Fāṭima az-Zahrāʾ(s.) und der Vater sowie Vorfahre der nachfolgenden elf Imame der Schiiten. Sein Vater war Abū Ṭālib und seine Mutter Faṭima bint Asad. Schiitischen, aber auch sunnitischen Historikern zufolge erblickte er in der Kaʿba das Licht der Welt. Außerdem war er der Erste, der an den Propheten (s.) glaubte und gilt nach schiitischer Lehre als Nachfolger des Propheten (s.) auf Geheiß Gottes.

Es werden Imam ᾽Alī (a.) viele Vorzüglichkeiten zugeschrieben. Der Prophet (s.) stellte ihn beim Yaum ad-Dār Ereigniss als seinen Testamentsvollstrecker und auch als seinen Nachfolger vor. Als die Qureisch sich veranlasst, sahen den Propheten (s.) aus dem Weg zu räumen, legte er sich in dessen Bett, um die Feinde durch dieses Täuschungsmanöver auf eine falsche Fährte zu locken, damit der Prophet (s.) im Geheimen auswandern konnte. Auch schloß der Prophet (s.) mit Imam ᾽Alī (a.) den Bruderschaftspakt. Schiitische sowie sunnitische Quellen besagen, dass etwa 300 Verse des Korans von seinen Vorzüglichkeiten handeln, wie z.B. der Mubāhila-Vers und der At-Taṭhīr Vers und einige von diesen deuten auf seine Unfehlbarkeit hin.

Er nahm an allen Schlachten des Propheten (s.) (Ġazawāt: Schlachten, bei denen der Prophet (s.) selbst anwesend war) teil, ausgenommen der Tabūk–Schlacht, während dieser er auf Anordnung des Propheten (s.) als dessen Stellvertreter in Medina bleiben musste. Imam ᾽Alī (a.) tötete bei der Badr Schlacht viele der Mušrikīn, schützte in der Uḥud Schlacht das Leben des Propheten (s.), beendete mit der Tötung ᾽Umar b. ᾽Abduwad die Ḫandaq Schlacht und auch durch das Herrausreissen des Tores der Ḫaibar-Festung die Ḫaibar Schlacht.

Nachdem der Prophet (s.) seine einzige Ḥaǧǧ (Pilgerfahrt nach Mekka) durchgeführt hatte, befahl er auf Geheiß Gottes durch den Tablīġ-Vers, dass diese große Menge von Muslimen, die ihn auf seiner Rückreise begleitete, in einem Gebiet namens Ġadīr Ḫumm anhalten möge. Dort hielt der Prophet (s.) die Ġadīr Rede, währenddessen nahm er ᾽Alīs Hand, hielt sie in die Höhe und sagte: Derjenige, dessen Herr (Maula) ich bin, dessen Herr (Maula) ist auch ᾽Alī. Oh Gott, sei der Freund dessen, der ihn zum Freund hat und sei der Feind dessen, der ihn zum Feind hat. Nach dieser Rede gratulierten ihm einige der Ṣaḥāba, wie ᾽Umar ibn Ḫaṭṭāb und sprachen ihn mit dem Beinamen Amīr al-Mu᾽minīn an. Gemäß der Ansicht schiitischer und einiger sunnitischer Exegeten wurde der Ikmāl-Vers noch an demselben Tag herabgesandt. Laut schiitischer Auffassung deute der Satz bei dem Ġadīr Ereignis - Derjenige, dessen Herr (Mawla) ich bin, dessen Herr (Maula) ist auch ᾽Alī - auf die Nachfolgeschaft des Propheten (s.) hin, woran die Schiiten ihre Identität im Unterschied zu anderen islamischen Zweigen festmachen. Ihre Überzeugung im Gegensatz zu den Sunniten basiert auf dem Willen und der Wahl Gottes, welcher Imam ᾽Alī (s.) dafür bestimmte und nicht, wie aus sunnitischer Sicht, die Nachfolgeschaft des Propheten (s.) müsse durch die Wahl des Volkes bestimmt werden.

Nach dem Ableben des Propheten (s.) schwor eine Gruppe in Saqīfa Abū Bakr den Treueid zur Führung des Kalifats. Stammeskonkurrenz, Hass und Neid werden als Gründe für die Ablehnung Prophet Muḥammads(s.) Befehl bezüglich ᾽Alīs Nachfolgeschaft angegeben. Nie schwor Imam ᾽Alī (a.) Abū Bakr den Treueid. Über die Bai'a selbst und die Zeit des Treueids kam es zwischen den Historikern zu Unstimmigkeiten. Einige Quellen berichten über eine scharfe Debatte zwischen ᾽Alī (a.) und Abū Bakr, während ᾽Alī (a.) ihn wegen seines Verstoßes gegen den Befehl des Propheten (s.) in der Saqīfa und aufgrund der Nichtbeachtung der Rechte der Ahl al-Bait (a.) verurteilte. Ebenso sind die Schiiten der Meinung, dass Anhänger des vom Volke gewählten Kalifen, also Abū Bakr, insofern Zwang ausübten, in dem sie einen Angriff auf das Haus von Imam ᾽Alī (a.) durchführten, wobei Fāṭima az-Zahrāʾ(s.) schwer verletzt wurde. Dabei verlor sie ihr Kind, dass sie in sich trug. Seit diesem Angriff mußte Fāṭima az-Zahrāʾ(s.) das Bett hüten, sie erholte sich nicht mehr und starb kurze Zeit später als Märtyrerin. ᾽Alī (a.) verurteilte bei den verschiedensten Anlässen in seinen Reden das Saqīfa Ereignis und erinnerte an sein Recht auf die Nachfolge des Propheten (s.), was als die Šaqšaqiyya-Rede bekannt wurde.

In den 25 Jahren der Herrschaftszeits der ersten drei Kalifen hielt sich Imam ʿAlī (a.) absolut fern von politischen Angelegenheiten und beschäftigte sich ausschließlich mit wissenschaftlichen Themen und sozialen Aktivitäten. Beispielsweise sammelte er die Aufzeichnungen des Korans ein, bekannt unter dem Namen Muṣḥaf Imam ʿAlī (a.) (Kodiz Imam ʿAlī (a.)), beriet den jeweiligen Kalifen in diversen Angelegenheiten, kümmerte sich um wohltätige Spenden für Mittellose und kaufte 1000 Sklaven frei. Seine weiteren Aktivitäten waren landwirtschaftliche Tätigkeiten wie Baumzucht, Brunnenbau, Errichtung von Moscheen und andere derartige Aktivitäten.

Imam ᾽Alī (a.) übernahm nach dem dritten Kalifen aufgrund des beharrlichen Drängens der muslimischen Gemeinschaft das Kalifat. In seiner Regierungszeit wies er der Gerechtigkeit eine sehr hohe Stellung zu, auch schon früher hatte er sich ständig der Vorgehensweise der Kalifen, welche die öffentlichen Gelder unrechtmäßig zwischen den Muslimen verteilten, widersetzt. Er befahl, dass alle Muslime, arabischer Abstammung oder nicht und ohne Bevorzugung eines Stammes, den gleichen Anteil an der Staatskasse erhalten. Er führte alle Grundstücke, die ᾽Uṯmān manchen Personen überlassen hatte, wieder an die Staatskasse zurück.

Imam ᾽Alī (a.) war, wenn es sich um Religion handelte, für eine sehr genaue Durchführung der Gesetze und für eine korrekte Regierungsmethode, ernst und kompromisslos, wodurch er für so manchen unerträglich wurde. Auch in Bezug auf seine nächsten Gefährten änderte er sein strenges Verhalten nicht. Imam ᾽Alī (a.) ist der Meinung, dass die Gerechtigkeit eines Herrschers gegenüber seinem Volk und die des Volkes gegenüber seinem Herrscher das größte von Gott gegebene Recht ist und dass die zweiseitige Einhaltung dieses Rechts viel Positives beinhaltet. Als Mālik al-Aštar von Imam ᾽Alī (a.) zum Gouverneur Ägyptens ernannt wurde, ermahnte er ihn, Milde mit dem Volk walten zu lassen, ob es sich um Muslime handelt oder nicht. In seiner Regierungszeit kam es zu drei internen Schlachten, die Ǧamal-Schlacht, die Ṣiffīn-Schlacht und die Nahrawān-Schlacht.

Am Ende wurde er beim Gebet in der Gebetsnische der Kufa Moschee durch den Schwerthieb eines Kharidschiten namens Ibn Mulǧam Murādī tödlich verletzt. Zwei Tage später wurde er zum Märtyrer und im Geheimen in Nağaf begraben. Das Heiligtum von Imam ʿAlī (a.) in Nağaf zählt zu den heiligen Stätten der schiitischen Kultur, dessen Besuch, die Ziyāra, gepflegt wird. Dort wurden auch andere namenhafte Persönlichkeiten begraben, welche unter dem Titel Madfūnān Ḥaram Imam ʿAlī (a.) (Die im Heiligtum von Imam ʿAlī (a.) Begrabenen) in einigen Quellen angeführt werden.

Es heißt, dass der Ursprung der meisten islamischen Wissenschaften wie die arabische Satzlehre, Kalām, Fiqh und Tafsir auf Imam ʿAlī (a.) zurückgeht und mannigfaltige Religionszweige ihre Überlieferungskette auf ihn zurückführen. ᾽Alī genoß bei den Schiiten eine besondere Stellung, er war für sie nach dem Propheten (s.) der Beste, Gottesfürchtigste, Wissendste und der rechtmäßige Nachfolger des Propheten (s.). Das berühmte Buch Nahğ al-Balāġa ist eine Sammlung der Aussprüche und Briefe Imam ʿAlīs (a.). Ihm werden auch einige Schriften zugeschrieben, diktiert vom Propheten (s.) und von ihm aufgezeichnet. Vielzählige Schriften wurden über ihn in den unterschiedlichsten Sprachen verfasst.

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